Kampf gegen illegale Inhalte: Bundesnetzagentur nimmt jetzt Beschwerden entgegen

Mit Inkrafttreten des Digitale-Dienste-Gesetzes wird die Bundesnetzagentur verspätet zur zentralen Plattformaufsicht für Deutschland. Bußgelder sind möglich.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 83 Kommentare lesen
Ein Schild mit Bundesnetzagentur an einem Gebäude.

(Bild: nitpicker/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.

Das im März vom Bundestag beschlossene Digitale-Dienste-Gesetz (DDG) ist am Montag im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden und tritt damit an diesem Dienstag in Kraft. Zum Koordinator für Digitale Dienste (KDD) hat das Parlament eine neue unabhängige Stelle bei der Bundesnetzagentur bestimmt, die jetzt ihre Arbeit aufgenommen hat. Sie soll als zentrale Plattformaufsicht für Deutschland dienen. Als Digital Services Coordinator (DSC) überwacht die Regulierungsbehörde so vor allem, dass Online-Dienste den Digital Services Act (DSA) der EU einhalten. Bei systematischen Verstößen gegen die Regeln kann sie Zwangs- und Bußgelder in Höhe von bis zu sechs Prozent des Jahresumsatzes der Firmen verhängen.

Der DSA selbst gibt einen EU-weiten Rahmen für den Kampf gegen illegale Inhalte im Netz wie Hass, Hetze und Desinformation im Netz vor. Die Verordnung setzt zudem einheitliche Standards für den Schutz von Verbrauchern vor illegalen Produkten auf Online-Plattformen. Betroffen sind etwa soziale Netzwerke wie Facebook, Instagram, YouTube, TikTok und X, Suchmaschinen wie Google, App-Stores, Buchungsportale, Jobbörsen und Cloud-Dienste. Der DSA verpflichtet die Anbieter, gegen rechtswidrige Inhalte vorzugehen und ein nachvollziehbares Melde- und Abhilfeverfahren zu schaffen.

Sehr große Plattformen mit mehr als 45 Millionen Nutzern pro Monat in der EU müssen den DSA bereits seit dem 25. August 2023 einhalten. Das überwacht die EU-Kommission. Für kleinere Anbieter greifen die Vorgaben seit dem 17. Februar. Sie werden ab jetzt vom DSC bei der Netzagentur kontrolliert. Das DDG trat drei Monate zu spät in Kraft, weil sich die Bundesregierung und die Länder lange nicht einigen konnten, wer für die DSA-Durchsetzung zuständig sein soll.

An den DSC können sich Nutzer mit Beschwerden bei Verstößen gegen den DSA wenden, etwa wenn sie illegale Inhalte bei Online-Anbietern nicht leicht melden können, Betreiber ihre Entscheidung über das Entfernen oder Stehenlassen nicht nachvollziehbar begründen oder wenn sie den Usern keine Informationen über die angezeigte Werbung zur Verfügung stellen. Der KDD prüft und entscheidet dabei nicht selbst, ob Inhalte illegal sind. Dafür sind weiterhin andere einschlägige Behörden und Gerichte zuständig. Unterstützen sollen den DSC die Landesmedienanstalten, die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz sowie der Bundesbeauftragte für den Datenschutz.

Zudem arbeitet der KDD mit Strafverfolgungsbehörden wie dem Bundeskriminalamt (BKA) zusammen. Bürgerrechtler befürchten, dass es zu einer "Datenflut" an die Zentrale Meldestelle beim BKA kommt. Denn Plattformen müssen dieser beim Verdacht auf Straftaten, die eine Gefahr für das Leben oder die Sicherheit von Personen darstellen, bestimmte Nutzerdaten übermitteln. Der Bundestag versuchte diese Bedenken mit der Vorgabe abzumildern, dass das BKA von 2025 an jährlich der Regierung Bericht über die eingegangenen Hinweise erstatten muss. Darin sollen Art und Anzahl der gemeldeten Straftaten erfasst sein.

Der DSC zertifiziert ferner Organisationen, die sich für den Status eines vertrauenswürdigen Hinweisgebers ("trusted flaggers") bewerben. Diese sollen über besonderes Fachwissen zur Identifikation illegaler Inhalte verfügen und diese Plattformbetreibern bevorzugt melden können. Der KDD wird sich zudem für die Zulassung von Stellen zur außergerichtlichen Streitbeilegung kümmern. Forschern kann er auf Antrag Zugang zu Daten sehr großer Plattformen gewähren.

Mit dem Inkrafttreten des DDG wird die Bundesnetzagentur ferner mit der Durchsetzung der Verordnung zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten von 2020 betraut. Online-Marktplätze, Buchungsportale, App-Stores, Preisvergleichsportale & Co. müssen demnach etwa die wesentlichen Parameter ihres Rankings offenlegen.

"Nie war eine starke Plattformaufsicht so wichtig wie heute", betonte Bundesdigitalminister Volker Wissing (FDP). "Wir sehen eine zusehende Verrohung des Diskurses im Netz." Auch die Plattformbetreiber trügen dafür mit Verantwortung und müssten gegen rechtswidrige Inhalte vorgehen. Das neue Team bei der Regulierungsbehörde werde nun "auf die Einhaltung unserer gemeinsamen europäischen Regeln pochen und bei Verstößen Verfahren einleiten". Die zivilgesellschaftliche Organisation AlgorithmWatch begrüßte den Ansatz, "auch wenn es fast zu spät ist für eine wirksame Anwendung für die EU-Wahl im Juni". Mit dem DDG könnten Plattformen nun besser in die Haftung genommen werden, was in diesem Super-Wahljahr essenziell sei.

(olb)